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westend 61/Uwe Umstätter
11. Dezember 2024

Mineralische innendämmung - interview mit zwei experten

Wenn Dämmen außen nicht möglich ist: Der Bau.Energie.Umwelt Cluster NÖ sprach mit Peter Beneder/Xella Porenbeton Österreich GmbH und Tobias Steiner/IBO über die Möglichkeiten von mineralischer Innendämmung.

Innendämmung – eine Möglichkeit für thermische Sanierungen, wenn z.B. die Fassade unangetastet bleiben soll. Was gibt es dabei zu beachten?
Michaela Smertnig, Clustermanagerin des Bau.Energie.Umwelt Cluster NÖ (BEUC) sprach mit den beiden Innendämmungs-Experten Tobias Steiner vom IBO - Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie und Peter Beneder von Xella Porenbeton Österreich GmbH – beide Clusterpartner im BEUC – über die Möglichkeiten, Funktionsweise und technischen Details einer mineralischen Innendämmung.

So funktioniert die mineralische Innendämmung …

Michaela Smertnig: Wir werfen heute einen Blick auf mineralische Innendämmungen. Gefühlt hat die Branche vor der Anwendung einer Innendämmung Respekt. Tobias, als Experte kannst du mir sagen, was mineralische Innendämmsysteme auszeichnen?

Tobias Steiner: Danke für die Möglichkeit, die bauphysikalische Sicht auf dieses Thema einzubringen.

Die Anwendung einer Innendämmung ist sinnvoll, wenn eine Außendämmung nicht möglich ist, wie bei denkmalgeschützten Gebäuden, Grenzbebauungen oder wenn sich die Eigentümergemeinschaft gegen eine Außendämmung entscheidet. Das heißt viele Altbauten können nur mit Hilfe einer Innendämmung auf einen höheren energetischen Standard gebracht werden. Es gibt verschiedene Systeme, aber nicht alle dieser Systeme sind für alle Anwendungsfälle geeignet. Bei unbedachter Materialwahl kann es zu Feuchtigkeitsproblemen kommen. Mineralische Innendämmungen, die Wasser und Wasserdampf problemlos aufnehmen und zeitversetzt an die Innenraumluft abgeben können, gelten als besonders sichere Varianten. Man spricht in diesem Zusammenhang von kapillaraktiven Dämmsystemen. Dieses nimmt Feuchtigkeit aus dem Raum auf, speichert sie und gibt sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder ab. Sie reguliert damit den Feuchtegehalt der Raumluft und sorgt so für ein hohes Maß an Sicherheit in Bezug auf Feuchtigkeits- und Schimmelschäden. Das System ist diffusionsoffen und besitzt die Eigenschaft, Wasser schon bei geringen Feuchtegehalten auch in flüssiger Form transportieren zu können, d.h. es verfügt über ein sehr ausgeprägtes Feuchtemanagement.

Michaela Smertnig: Peter, du bist technischer Konsulent und Innendämmungsexperte bei Xella. Die mineralische Innendämmung ist in eurem Produktportfolio. Erzähl mir mehr darüber.

Peter Beneder: Gerne. Xella, auch bekannt als Ytong, stellt die Multipor Dämmplatte her. Diese ist ein rein mineralischer Dämmstoff auf Basis von Sand, Kalk, Zement und Wasser. Durch die besondere Materialstruktur bietet diese leichte, handliche Platte eine optimale Kombination wichtiger Eigenschaften. Sie ist formstabil, dampfdurchlässig und nicht brennbar.

Was bei der Planung zu beachten ist …

Michaela Smertnig: Was gilt es bei der Planung und Bauphysik zu beachten?

Peter Beneder: Eine gute Bestandsaufnahme ist die Basis für eine sichere Planung und Ausführung. Erst nach dieser sind die geeigneten Dämmmaßnahmen festzulegen. Hierzu muss der Planende und Ausführende über die Möglichkeiten der Innendämmung und deren Funktionsweise informiert sein. Das werden wir in einem gemeinsam mit euch geplanten Webinar am 21.Jänner 2025 detaillierter behandeln. (Anmeldung: siehe Newsroom – Events)

Tobias Steiner: Genau – gerade bei Altbauten ist der Zustand vom Bestandsmauerwerk genau zu prüfen. Dies gilt für den vorhandenen Feuchtigkeitsgehalt, für eventuelle Salzbelastung und auch für den Schlagregenschutz der Fassade. Das Verkleiden von Holztramdecken und anderer Detailanschlüsse wie Fenster und Innenwand müssen im Vorfeld unbedingt geklärt werden. Mit einer Innendämmung kann in der thermischen Sanierung durch das raumseitige Aufbringen der Dämmung zum Beispiel in Kombination mit einer thermischen Ertüchtigung der inneren Fensterebene des Kastenfensters eine durchgehende Dämmebene umgesetzt werden – so können Wärmebrücken und das damit immer verbundene Risiko von Schimmelbildung reduziert bzw. ausgeschlossen werden.

Diese Systeme gibt es grundsätzlich…

Michaela Smertnig: Welche Innendämmungs-Lösungen gibt es grundsätzlich?

Tobias Steiner: Bei der Innendämmung gibt es Systeme, die nur mit einer raumseitigen Dampfbremse funktionieren und jene ohne, wie die hier beschriebene Mineraldämmplatte. Kann eine Dampfbremse entfallen, so fallen damit auch alle damit verbundenen Probleme weg. Denn: eine Dampfbremse ist dauerhaft und dicht an einzubindende Bauteile, wie Innenwände, Fußböden, Fensterrahmen oder - am schwierigsten - Tramdecken anzudichten. Ebenso entfällt die Gefahr von Durchdringungen der Dampfbremse durch Rohr- oder Kabeldurchführungen. Insgesamt sind Systeme ohne Dampfbremse damit sicherer. Auch hat der Wandaufbau ohne Dampfbremse weiterhin die Möglichkeit Feuchte aus der Raumluft aufzunehmen bzw. Feuchte aus der Konstruktion abzugeben, also zu einem angenehmen Raumklima beizutragen.

Dämmmaßnahmen sparen Energie und reduzieren Wärmebrücken …

Michaela Smertnig: Generell bringt jede Dämmmaßnahme eine Energieeinsparung mit sich und erhöht den Faktor der Behaglichkeit. Von welchen Energiekosten sprechen wir da?

Tobias Steiner: Bereits mit einer Dämmstärke von 8 cm kann der Heizwärmebedarf um 45 % gesenkt werden. Bei einer 80 m² Wohnung ist das eine Reduktion um ca. 4.000 kWh/Jahr, was bei einem Energiepreis von, sagen wir 30 Cent/kWh einer jährlichen Einsparung von € 1.200 entspricht.

Michaela Smertnig: Thema Schimmel und Raumlufthygiene. Inwiefern ist die Innendämmung Mittel der Wahl?

Tobias Steiner: Die Innendämmung stellt eine effektive Maßnahme zur Vermeidung oder Sanierung von Schimmelbildung dar. Die Oberflächentemperaturen werden höher, damit sinkt die relative Feuchte an der Oberfläche und die Ursache für Schimmelwachstum reduziert sich deutlich – bzw. Schimmelbildung kann bei entsprechender Lüftung sogar ausgeschlossen werden. Grundsätzlich hat die Mineraldämmplatte nur schadstofffreie Inhaltsstoffe. Dies garantiert bei fachgerechter Aufbringung ein emissionsfreies Innenraumlima.

Wo steht die Bestandssanierung in Österreich?

Michaela Smertnig: Peter, wie steht es mit der Gebäudesanierung generell aus deiner Sicht?

Peter Beneder: Trotz des hohen Sanierungsbedarfes und der angebotenen Förderungen wird immer noch zu wenig saniert. Mit der Sanierung werden die laufenden Energiekosten und die CO2-Emissionen gesenkt. Es steigt die Behaglichkeit und die Zufriedenheit der Nutzerinnen und Nutzer. Am Immobilienmarkt zeigt sich ebenso, dass der Wert für thermisch sanierte Bestandsobjekte deutlich steigt, wohingegen die Nachfrage an unsanierten Immobilien zurück geht. Im Moment liegt der Fokus der Österreicherinnen und Österreicher auf dem Heizungstausch. Damit hier aber sinnvoll – insbesondere auf Niedertemperatursysteme mit hoher Effizienz umgestiegen werden kann – ist es erforderlich, den Heizwärmebedarf durch die Dämmung des Gebäudes zu reduzieren. Nur so arbeitet das Heizsystem effizienter und kann auch noch dazu kleiner dimensioniert werden.

Thema Wasserschaden …

Michaela Smertnig: Aus aktuellem Anlass gefragt: was passiert mit der Innendämmung bei Wassereintritt?

Peter Beneder: Ich kann jetzt nur für unsere Produkte sprechen: Die Xella Mineraldämmplatten sind formstabil und können einem Wassereintritt widerstehen. Die auftretenden Feuchtebelastungen werden weitgehend schadlos durch die Dämmplatte aufgenommen. Im Gegensatz zu Gipskartonplatten können sie vollständig austrocknen und danach erfüllt die Multipor Mineraldämmplatte weiterhin ihre Dämmfunktion. Wichtig ist jedoch, genau zu untersuchen. Denn die Feuchtebelastung der Innenräume nach einem Wassereintritt oder -austritt ist nicht allein abhängig vom Feuchtegehalt der Dämmung. Auch alle sonstigen Flächen und Bauteile (Mauerwerk, Estriche, Decken etc.) weisen meist eine Durchfeuchtung auf. Eine Dämmung kann hier erst nach einer Bauteilprüfung aufgebracht werden. Eine Sanierungslösung bei feuchtem und salzbelastetem Mauerwerk bietet die Multipor ExSalTherm.

Tobias Steiner: Das kann ich nur bestätigen. Im Falle eines Wasserschadens, beispielsweise dem Eintritt von Regenwasser durch ein Starkregenereignis muss jedenfalls genau geprüft werden. Werden zügig Trocknungsmaßnahmen gesetzt, dann kann eine mineralische Innendämmung, die viel Feuchtigkeit aufgenommen hat, diese auch wieder schadfrei abgeben, also trocknen.

… & Nachhaltigkeit

Michaela Smertnig: Wie kreislauffähig und nachhaltig sind mineralische Innendämmungen?

Peter Beneder: Unsere Mineraldämmung trägt das anerkannte Umweltsiegel „natureplus“. Sie ist recyclebar und sortenreine Schnittreste sind sogar kreislauffähig. Sie können dem Produktionskreislauf wieder zugeführt werden. Auch der Rückbau ist möglich. Dabei wird die gewebearmierte Putzschicht entfernt – das wird „Strippen“ genannt. Das so verbleibende Plattenmaterial, auch mit mineralischen Kleberresten, kann dann der Zementherstellung beigegeben werden.

Michaela Smertnig: Peter, habt ihr ein Vorzeige-Bauvorhaben?

Peter Beneder: Absolut, auch wenn es kein Bauvorhaben im eigentlichen Bau-Sinne war. Das Panoramabild der 3. Berg Isel Schlacht vom 13. August 1809 wurde von der Rotunde in Innsbruck auf das neugestaltete Berg Isel Museum verlegt. Als Untergrund für dieses 1000 m² große Gemälde wurde Multipor wegen seiner guten bauphysikalischen Eigenschaften und Tragfähigkeit eingesetzt.

Xella, IBO und der Cluster …

Michaela Smertnig: Und jetzt noch zum Cluster: Was ist euer Konnex zum Cluster bzw. habt ihr noch einen Wunsch ans Clusterteam?

Peter Beneder: Unser Bezug zum Cluster entstand beim Kooperationsprojekt „Bauanschluss“ 2013. Da konnten wir gemeinsam mit 23 anderen Unternehmenspartnern Einbaulösungen von Fenstern optimieren. Diese Zusammenarbeit hat mich überzeugt, was alles möglich ist, wenn man sich untereinander austauschen kann. Der Cluster verbindet die unterschiedlichsten Player in der Branche. Ich würde mir hier noch mehr Beteiligung von ausführenden Unternehmen wünschen, um F&E-Projekte noch anwendungsorientierter umsetzen zu können. Wir brauchen in der Branche mehr ausgebildete FacharbeiterInnen für die Sanierung und interessierte Nachwuchskräfte. Und zusätzlich ein Netzwerk bzw. eine Plattform, wo Kundinnen und Kunden qualifizierte Verarbeitende finden können.

Tobias Steiner: Das IBO hat eine langwährende Zusammenarbeit mit dem Cluster und schon zahlreiche Projekte umgesetzt. Wir sind auch Mitglied in eurem Fachbeirat. Ansonsten kann ich mich Peter nur anschließen, denn mit gut ausgebildetem Fachpersonal können viele bauphysikalische Mängel vermieden werden.

Michaela Smertnig: Tobias und Peter, ich bedanke mich für das Gespräch!

Zu den Personen und Unternehmen:

Das IBO – Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie erforscht als unabhängiger, gemeinnütziger, wissenschaftlicher Verein die Wechselwirkungen zwischen Mensch, Bauwerk und Umwelt.

Dipl.-Ing. Dr.techn. Tobias Steiner
Forschung, Bauphysik und Consulting, Ordentliches Mitglied

Xella Österreich GmbH ist ein Traditionsunternehmen für massive mineralischer Bau- und Dämmstoffe, vor allem bekannt durch die Marken Ytong und Multipor.

Ing. Peter Beneder
Technischer Konsulent

Ihr Kontakt für weitere Rückfragen:

Michaela Smertnig

Clustermanagerin Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich
E: m.smertnig@ecoplus.at
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