Gruppenfoto mit fünf Personen beim HTL-Messestand

Das Berufsbild GebäudetechnikerIn – Interview mit Elisabeth Berger

Porträtfoto von Elisabeth Berger

IoT, IT, KI – die Gebäudetechnik wird zunehmend digitaler – und wichtiger: denn der Gebäudebetrieb ist für den Großteil der CO2-Emissionen im Lebenszyklus verantwortlich und daher ein wesentlicher Schlüssel in der Dekarbonisierung der Baubranche. Michaela Smertnig, Clustermanagerin im Bau.Energie.Umwelt Cluster NÖ, sprach mit HTL Mödling Gebäudetechnik-Abteilungsvorständin Elisabeth Berger über das Berufsbild des Gebäudetechnikers / der Gebäudetechnikerin, Herausforderungen und Zukunftsthemen und dass in diesem Beruf durchaus Kreativität gefragt ist.

 

 

Der Bedarf der Wirtschaft ist hoch

Michaela Smertnig: Als größte Schule Österreichs mit über 3000 SchülerInnen bietet die HTL Mödling eine praxisorientierte Ausbildung in 12 zukunftsorientierten Fachrichtungen. Die jüngste Abteilung ist jene der Gebäudetechnik, die du, liebe Elisabeth, leitest. Bitte stelle dich und die Abteilung Gebäudetechnik vor. 

Elisabeth Berger: Danke für die Möglichkeit mich und meine Abteilung vorzustellen. Ich selbst bin ausgebildete Maschinenbauerin und leite die Abteilung Gebäudetechnik seit Beginn. Sie bietet zwei Ausbildungsformen:

  • In der Höheren Abteilung (HTL) haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit nach einer fünfjährigen Ausbildung die Reife- und Diplomprüfung abzulegen.
  • Im Kolleg und Aufbaulehrgang können Maturantinnen und Maturanten, Absolventinnen und Absolventen der Fachschulen bzw. Personen mit facheinschlägigen Lehrberufen in einer vier- bzw. fünfsemestrigen Ausbildung ebenfalls mit einer Diplomprüfung bzw. Reife- und Diplomprüfung abschließen.

Bei beiden Ausbildungsformen kann nach einer dreijährigen, facheinschlägigen Praxis der Ingenieurtitel für Gebäudetechnik erlangt werden. Gemeinsam haben sie auch die vielfältigen Arbeitsmöglichkeiten, wie z.B. im Bereich der Ziviltechniker- und Ingenieurbüros, Bauträger und Energieversorger, Energieberater und im Facilitymanagement.

Da der Gebäudetechniker / die Gebäudetechnikerin als Mangelberuf eingestuft wird und die HTL-Mödling in diesem Bereich auf einen sehr guten Ruf vorweisen kann, sind eine Anstellung im In- bzw. Ausland bei guter Bezahlung praktisch garantiert. Auch steht der Zugang zu allen Fachhochschulen und Universitäten mit dieser Ausbildung offen.

 

GebäudetechnikerInnen entwickeln kreativ Lösungen mit IT-gestützten Methoden ...

Michaela Smertnig: Was kann sich ein/e Jugendliche/r unter dem Berufsbild des Gebäudetechnikers bzw. der Gebäudetechnikerin vorstellen? 

Elisabeth Berger: Der Arbeitsalltag in der Gebäudetechnik ist unglaublich vielfältig, abwechslungsreich und spannend. Wir alle sind ständig mit Gebäudetechnik im Kontakt – sei es im privaten als auch im beruflichen Umfeld, in öffentlichen Gebäuden, in Einkaufs- oder Veranstaltungszentren, in Bahnhöfen und Flughäfen …   
GebäudetechnikerInnen sind einerseits für die Planung und Errichtung und andererseits für die Inbetriebnahme, den laufenden Betrieb und die optimierte Wartung von technischen Einrichtungen in Gebäuden verantwortlich.
Dazu zählen unter anderem Anlagen zur Bereitstellung, Verteilung und Abgabe von Energie in Form von Wärme, Kälte oder elektrischen Strom. Weiters werden Lüftungs- und Klimaanlagen sowie hygienegerechte Trinkwasserinstallationen, Entwässerungssysteme oder automatische Feuerlöschanlagen projektiert. Gebäudeautomationssysteme gewinnen stetig an Bedeutung, weil sie ein regelungs- und steuerungstechnisches Zusammenspiel der einzelnen Gewerke wie Heizung, Lüftung, Klima und Sanitär ermöglichen.

 

... und sind ausgestattet mit einem breitgefächerten interdisziplinären Know-how.

Michaela Smertnig: Das klingt sehr herausfordernd … 

Elisabeth Berger: … und vor allem vielfältig! Die Gebäudetechnik benötigt in naher Zukunft sehr viele junge Leute. Sie werden komplexe Projektaufgabenstellungen umsetzen, um den Anforderungen von modernem Lebenskomfort als auch den Herausforderungen von Nachhaltigkeit und der Energiewende gerecht zu werden. Sie sind ausgestattet mit einem breitgefächerten interdisziplinären Wissen aus der Bau- und Versorgungstechnik und verwenden moderne, IT-gestützte digitale Methoden, wie Building Information Modeling, um kreativ Lösungen für komplexe Systeme zu entwickeln.

Neben dem technischen Berufsbild können sich AbsolventInnen je nach Neigung und Eignung auch in Richtung Entwicklung von Verkaufsstrategien, Verhandlungen mit vielen unterschiedlichen Anspruchsgruppen und Partnern bewegen – all das sind Aufgaben, die häufig von Ingenieuren und Ingenieurinnen wahrgenommen werden.

 

Die Ausbildungs-Infrastruktur als Herzstück: Klimazentrale, Heizungslabor, Sanitärwerkstatt, Fablab uvm.

Michaela Smertnig: Ihr habt immer wieder Tage der offenen Tür. Was erwartet die Jugendlichen da? 

Elisabeth Berger: Wir zeigen unser neues Ausbildungszentrum, das für die hauseigenen Akademieveranstaltungen für unsere SchülerInnen mit Unternehmenspartnern genutzt wird. Andererseits bekommen die BesucherInnen einen Überblick mit Hilfe unserer Leistungsschau in der Werkstätte. Hier sieht man bspw. unsere neu ausgerüstete Lüftungs- und Klimazentrale mit eigener Schaltwarte, die Gerätschaften der Kältetechnikakademie sowie Heizungslabor und Sanitärwerkstatt.      
Ein neues Projekt ist bereits in Entwicklung und beschäftigt sich mit dem Aufbau des abteilungsinternen FabLabs, das sich mit IoT-Infrastruktur beschäftigen wird.

 

Vom Start-up bis zum internationalen Gebäudeausrüster

Michaela Smertnig: In welchen Unternehmen bzw. Organisationen arbeiten Gebäudetechniker/innen? 

Elisabeth Berger: Wir finden sie überall dort, wo Gebäude mit den dazugehörigen Anlagen geplant und verwaltet werden müssen – vom Einfamilienhaus bis hin zu komplexen Wohn-, Gewerbe- oder Bürobauten. Die Einsatzmöglichkeiten sind so vielfältig wie die Branche selbst. In der Gebäudetechnik gibt es die gesamte Bandbreite von Unternehmern: kleine, mittelständische und auch große, international tätige Gebäudeausrüster.

Zudem kommen unsere AbsolventInnen in der Verwaltung und Betreuung von Gebäudekomplexen, z.B. in Krankenhaus- oder anderen öffentlichen und privaten Gebäudeverwaltungen – zum Einsatz. Immer mehr Bauingenieurbüros, Bauunternehmen, Planungs-, Konstruktions- und Architekturbüros suchen GebäudetechnikerInnen, um eine frühzeitige Berücksichtigung der Anforderungen an die technische Gebäudeausrüstung sicherzustellen.

Mit der Erfüllung einiger Zusatzanforderungen und einer Prüfung können sich unsere AbsolventInnen auch für eine Tätigkeit als IngenieurkonsulentIn für verschiedene Spezialgebiete entscheiden. Und einige besonders dynamische und unternehmerisch veranlagte Ingenieure und Ingenieurinnen gründen ihr eigenes Startup. 

  

Warum sich Jugendliche für einen Technikberuf entscheiden ...

Michaela Smertnig: Warum sollte sich ein Jugendlicher / eine Jugendliche für diesen Beruf entscheiden?  

Elisabeth Berger: Wer technikaffin und neugierig ist, wer eine klimafitte Zukunft aktiv mitgestalten möchte, wer interessante und abwechslungsreiche Betätigungsfelder sucht und gleichzeitig einen sicheren Arbeitsplatz, der ist mit der Ausbildung Gebäudetechnik gut beraten.

Vielleicht nicht der wichtigste, aber ein interessanter Aspekt ist, dass man sich aufgrund des großen Jobangebotes entscheiden kann, ob man eher regionale oder internationale Einsatzbereiche bevorzugt.

Michaela Smertnig: Du bist selbst ein Role Model für Frauen in der Technik. Was hat dich zu deiner Ausbildung bewogen?

Elisabeth Berger: Warum ich Maschinenbau studiert habe? Ich hatte immer schon eine große Liebe zur Mathematik, mit 17 war es aber nicht mein Ziel in den Lehrberuf zu gehen. Auch wollte ich eine Berufslaufbahn einschlagen, die für Frauen nicht alltäglich war und habe mich deshalb für Maschinenbau entschieden. Bevor ich zur HTL Mödling kam habe ich in der Berechnungsabteilung des TÜV gearbeitet. Meine Entscheidung habe ich nie bereut, sowohl das Studium als auch mein Berufsleben empfand ich stets als sehr interessant und bereichernd. 

 

Die Herausforderungen als Schule: den enormen Bedarf der Branche zu decken

Michaela Smertnig: Was sind aktuell eure Herausforderungen als Ausbildungsstätte

Elisabeth Berger: Die Steigerung des Bekanntheitsgrades und ein breites Verständnis in unserer Jugend über die Möglichkeiten dieser Ausbildung. Das ist eine vordringliche Aufgabe für uns.
Wir – und ich sehe hier nicht nur die HTL Mödling, sondern auch unsere KollegInnen in anderen Bildungseinrichtungen, sind aktuell mit der Zahl unserer Absolventen nicht in der Lage, den enormen Bedarf an Ingenieurinnen und Ingenieuren in der Branche zu decken. Viele Firmen helfen uns hier bereits mit innovativen Marketingideen und setzen damit das Signal „Ihr seid für uns wichtig!

Wir führen selbst jährlich mehrere Informations- und Werbekampagnen durch: Schnuppertage, ein Schnuppercamp und einen sehr gut angenommenen Recruiting-Tag. Wir werben auch durch Öffentlichkeitsarbeit bei Messen und Ausstellungen – auch heuer waren wir wieder bei der Baumesse in Tulln, dank Eures Messestandes, und bei der EXPO in Wien vertreten. Bei diesen Aktivitäten ermöglichen wir unseren SchülerInnen der höheren Klassen, sich aktiv zu beteiligen – auch mit der Idee, dass wir unsere SchülerInnen zu authentischen BotschafterInnen machen. Zusätzlich besuchen wir praktisch alle Mittelschulen der Umgebung und stellen die Ausbildung und die Berufsmöglichkeiten und Chancen vor.

Ein sehr wichtiges Thema, das aus verschiedenen Gründen bisher leider nicht prominent genug behandelt wurde, sind Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Ich erachte es als notwendig, dass wir unseren AbsolventInnen als zukünftigen Führungskräften ein tiefes Verständnis für die Wichtigkeit einer hohen Sicherheitsperformance für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens mitgeben.

 

Die Qualität der Ausbildung hoch halten: mit starkem Praxisbezug, IoT und Computer Aided Engineering

Michaela Smertnig: Wie begegnet ihr den Herausforderungen sonst noch? 

Elisabeth Berger: Wichtig ist, dass die Qualität der Ausbildung stimmt. Wir arbeiten mit einem jungen und motivierten Lehrerteam kontinuierlich daran, das Lehrangebot auf aktuellem Stand zu halten. Über die Gebäudetechnik-Akademie bringen wir zusätzlich Schwerpunktthemen und einen starken Praxisbezug ein.

Ein weiteres Projekt ist bereits in Entwicklung und beschäftigt sich mit dem Aufbau des abteilungsinternen FabLabs, welches sich mit IoT-Infrastruktur beschäftigen wird. Wir sind gerade dabei, von Computer Aided Design auf Computer Aided Engineering umzustellen. In ganzheitlicher Weise wird dabei rechnergestützte Auslegung von Anlagen und die Simulation des Verhaltens dieser Anlagen behandelt.

 

Was auf die Gebäudetechnik-Branche zukommt...

Michaela Smertnig: Was kommt auf die Gebäudetechnik-Branche zu? 

Elisabeth Berger: Technische, maschinentechnische und HLKS-Kompetenz mit IT- und AI-Kompetenz zu verbinden. Damit muss ein step-change in Nachhaltigkeit und Energieeffizienz bei gleichzeitiger Steigerung von Komfort erzielt werden. Dies kann nur gemeinsam mit den einzelnen Gewerken, den BautechnikerInnen und den AuftraggeberInnen erreicht werden.

Der Automatisierungsgrad mit Hilfe digitalen Planens, Bauens und Betreibens von HLK-Anlagen nimmt kontinuierlich zu. Plan- und Ausschreibungsunterlagen bilden hierfür die Grundlage und werden immer effizienter mit Methoden des maschinellen Lernens für gewinnbringende Geschäftsmodelle in jeder einzelnen Lebenszyklusphase eines Gebäudes eingesetzt.

Auch die Gesetzgebung, wie bspw. die EU Taxonomie VO und ihre Rolle hinsichtlich der Neuausrichtung von Kapitalströmen zu nachhaltigen Investments wird vieles verändern und die Steigerung der Energieeffizienz massiv beeinflussen.

 

"Als Schule haben wir eine intensive Kooperation mit der Wirtschaft."

Michaela Smertnig: Im Cluster agieren wir nach dem Motto „Innovation durch Kooperation“. Auch ihr habt eine gelebte Kooperation mit der Wirtschaft. Erzählst du uns mehr davon? 

Elisabeth Berger: Parallel zur Höheren Abteilung Gebäudetechnik und dem Kolleg und Aufbaulehrgang haben wir in den letzten Jahren eine Gebäudetechnik Akademie etabliert. Eine großartige Plattform, welche neben maß-geschneiderten Höherqualifizierungs-Maßnahmen seitens teilnehmender Unternehmenspartner auch die Vernetzungsaktivitäten zwischen Auszubildenden, Lehrenden und Firmen zum Ziel hat.

Im Rahmen der Gebäudetechnik Akademie organisieren wir regelmäßige, in einem Programm festgelegte Firmenworkshops und Fachvorträge für SchülerInnen der HTL Mödling und für Lehrlinge der Partnerfirmen. Gemeinsam mit den Partnerfirmen veranstalten wir Schnuppercamps für 13- bis 15-Jährige aus Mittelschulen, AHS und Polytechnikum. Zudem ist der jährlich stattfindende Branchentreff ein Forum für Firmen aus Industrie, Gewerbe, Planungsbüros und Großhandel.

Die Gebäudetechnik Akademie bietet vielseitige Möglichkeiten an Aus- und Weiterbildung für SchülerInnen, Studierende und Lehrlinge, setzt sich für ein frühzeitiges Wecken des Interesses an Gebäudetechnik für PflichtschülerInnen ein und fördert die Netzwerke zwischen den Betrieben, der Schule und den Jugendlichen.

 

Das Netzwerk nutzen ...

Michaela Smertnig: Welchen Nutzen seht ihr in der Zusammenarbeit mit dem Bau.Energie.Umwelt Cluster NÖ? Wie kann der Cluster euch unterstützen? 

Elisabeth Berger: Neben unserer Kooperation mit der Wirtschaft in der Gebäudetechnik-Akademie ist der Cluster ein ideales Pendant als Kommunikations- und Kooperationsplattform für uns, denn die Branche ist weitläufig und vielfältig. Er bietet eine gute Möglichkeit, Betriebe anzusprechen und in die Arbeit unserer Gebäudetechnik-Akademie einzubeziehen. Wir hoffen, über Euch weitere Firmen als Unterstützer, Inputgeber und Kooperationspartner zu bekommen.

Unterstützen kann uns der Cluster auch bei Marketingaktivitäten für unsere Abteilung und die Gebäudetechnik-Akademie. 

  

... und die Bedeutung der Fachrichtung in der öffentlichen Wahrnehmung stärken

Michaela Smertnig: Und wenn du einen Wunsch frei hättest? 

Elisabeth Berger: Ich würde mir eine österreichweite Kampagne wünschen, die einerseits alle Gebäudetechnik-Ausbildungseinrichtungen (wie die HTLs in Mödling, Pinkafeld, Vöcklabruck, Jenbach usw.) und andererseits die Bedeutung der Fachrichtung in der öffentlichen Wahrnehmung stärkt.

Und noch einen zweiten Wunsch hätte ich: nachdem erst der „Equal Pay Day“ (Anm. d. Red.: 14.02.2024 in Ö) war, wünsche ich mir besonders, dass mehr Mädchen und Frauen für diesen Ingenieurzweig begeistert werden könnten. 

Michaela Smertnig: Dankeschön für die Einblicke in deine Abteilung, Elisabeth! Ich wünsche dir volle Klassen im neuen Jahrgang!

 

 

Zur Organisation

HTL Mödling
Technikerstraße 1-5
A-2340 Mödling
https://htl.moedling.at/

 

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