Gemeinsam vom Reden ins Tun kommen – Clusterpartner Klaus Kiessler im Interview
Klaus Kiessler ist Geschäftsführer der SOLAR 4 YOU Consulting Ges.m.b.H., planender Baumeister und Gründungsmitglied des damaligen Ökobau Cluster NÖ. Auch im jetzigen Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich ist er als Clusterpartner und im Fachbeirat aktiv. Als Funktionär in der Landesinnung Bau NÖ gestaltet er zudem die Agenden des Gewerbes mit. Klaus Kiessler war zudem Bauherr des Bürogebäudes SOL4 in Mödling.
Die Entwicklung und Umsetzung des zukunftsweisenden Konzepts von SOL4 war eines der ersten und wegweisendsten Kooperationsprojekte im Cluster. Know-how und Erfahrung von verschiedenen Clusterpartnern flossen in das Projekt ein.
Im Interview mit Projektmanager Martin Huber erzählt Klaus Kiessler über die Intention des Projekts SOL4, die Umsetzung und die Kooperation im Cluster.
Martin Huber: Die Entwicklung des Bürogebäudes „SOL4“ war eines der ersten und wegweisendsten Kooperationsprojekte des Ökobau Cluster, des Vorläufers des Bau.Energie.Umwelt Cluster NÖ. Was war das Besondere an diesem Projekt?
Klaus Kiessler: Das Besondere an dem Projekt war der moderierte kooperative Planungsprozess unterstützt durch den Cluster und die daraus resultierende Eigendynamik des Projektes. Damit verbunden war die Verwandlung des Projektes von einem guten Niedrigenergiehaus zu einem Passivhaus der ersten Stunde, errichtet mit ökologischen Baustoffen und versorgt mit erneuerbarer Energie. Das Endergebnis – ein Haus der Zukunft – das mehrere Preise erhielt, u.a. den Österreichischen Solarpreis. Auch die soziale Komponente in der Nutzung mit Gemeinschaftsraum und vielen geteilten Dienstleistungen wurde bereits damals geplant und in der Folge gelebt.
"Es gibt immer noch nicht viele mit SOL4 vergleichbare Gebäude."
Martin Huber: Welche Aspekte sind immer noch gültig/aktuell?
Klaus Kiessler: Überraschenderweise ist das gesamte Konzept noch immer aktuell. Und das stimmt mich einerseits freudig aber auch nachdenklich, da es immer noch nicht viele vergleichbare Gebäude gibt. Auch das aktuelle Leuchtturmprojekt Haus des Lernens in St. Pölten ist vom ökologischen Standpunkt ähnlich (einzig aus Holz statt mineralisch massiv). Mit einem Teil Eigenstromproduktion mit der fassadenintegrierten PV waren wir damals schon einen Schritt weiter. Unabhängig davon ist diese Bauweise immer noch ein Einzelfall und weit weg vom Standard.
Martin Huber: Welche Aspekte wurden zum Erfolg, welche würdest Du heute anders machen?
Klaus Kiessler: Insgesamt ist das gesamte Projekt ein Erfolg und ist es in punkto Kilmaschutz auch jetzt noch. Heute würde ich mich technologisch nicht mehr auf einen Hersteller und seine Technologie verlassen. Dies trifft im Fall SOL4 vor allem das Beleuchtungssystem, das damals auch viel zu aufwändig installiert wurde (niemand braucht z.B. einzeln ansteuerbare Lichtpunkte). Ebenso das Schließsystem: Es darf nicht sein, dass man nach knapp 10 Jahren gezwungen wird, eine neue Software anzuschaffen, weil die alte nicht mehr serviciert wird.
"Gefühlt waren wir als Gesellschaft im nachhaltigen Bauen vor 10 Jahren schon einmal weiter."
Martin Huber: Gibt es Bereiche, in denen sich Grundlegendes verändert hat?
Klaus Kiessler: Aus meiner Wahrnehmung hat sich nichts grundlegend verändert. Im Gegenteil: Gefühlt waren wir als Gesellschaft im nachhaltigen Bauen vor 10 Jahren schon einmal weiter. Siehe dazu auch die Passivhaus-Diskussion in Verbindung mit der kontrollierten Be- und Entlüftung. Selbst die Wahrnehmung für ökologisches Bauen ist erst seit kurzem durch fridays for future und die Diskussion über den Green Deal wieder spürbar mehr geworden. Die wirklichen Veränderungen stehen jetzt unmittelbar bevor – aber das hat die große Mehrheit noch nicht wirklich realisiert.
Thema Kooperation: "Damals waren wir Pioniere."
Martin Huber: Wie siehst Du das Thema Kooperation hinsichtlich Bereitschaft, Notwendigkeit, Nutzen… am Bau heute und damals?
Klaus Kiessler: Damals waren wir Pioniere und selbst heute ist das Thema Kooperation am Bau noch nicht wirklich angekommen. Bemerkbar ist aber eine zaghafte Veränderung: zumindest werden kooperative Planungsprozesse angedacht, bis hin zu early contracting, bei dem auch die Ausführungskompetenz sehr früh in das Planungsteam hineingeholt werden soll. Da könnte sich in den nächsten Jahren auch in Verbindung mit BIM durchaus einiges verändern.
Martin Huber: Du bist seit der ersten Stunde des Clusters mit dabei. Was waren damals die großen Ziele bzw. die Herausforderungen für den Cluster?
Klaus Kiessler: Stimmt. [lacht] Durch einen glücklichen Zufall bin ich plötzlich mittendrin gewesen in einem sehr ambitionierten Clusterteam mit vielen Visionen und wurde vom Enthusiasmus fürs ökologische Bauen angesteckt. Das Wissen dafür war ja schon damals da, aber wurde insbesondere bei uns im Osten noch kaum angewendet. Es war ja auch der Beginn der Ära des Passivhauses, die in den letzten Jahren wieder etwas abgeflacht ist. Ich denke bei den Herausforderungen hat sich nicht so viel verändert. Es ist immer noch die Hauptaufgabe, aus den vielen tollen Ideen innovative Projekte entstehen zu lassen. Wir alle gemeinsam müssen noch viel mehr vom Reden ins Tun kommen.
"Die gebaute Infrastruktur wird das Rohstofflager der Zukunft."
Martin Huber: Welche Ziele sind erreicht worden bzw. was ist noch offen geblieben?
Klaus Kiessler: Ich denke, der Weg ist das Ziel und das Ankommen würde eine weitere Entwicklung bremsen oder gar verhindern. Daher möchte ich keine einzelnen Zwischenziele namentlich anführen. Insgesamt kann es nur zu komplett demontierbaren Gebäuden gehen, die sich am Standort selbst mit Energie versorgen und individuell an die jeweiligen Bedürfnisse anpassbar sind. Die gebaute Infrastruktur wird das Rohstofflager der Zukunft und wird die Themen reduce, reuse und recycle beinhalten. Auch die Begrünung sämtlicher Gebäudeteile als naturbasierte Klimaanlage, das Wassermanagement und die Biodiversität unterstützend, wird unabdingbar sein. Auch wenn es seltsam klingt, aber der nicht verbaute Teil unserer Liegenschaften – Stichwort Grünraum – wird im Bausektor eine viel größere Bedeutung erhalten, bis hin zur verpflichtenden Pflanzung von Bäumen.
Martin Huber: Wo siehst Du seit damals die größten Veränderungen in der Arbeit und im Selbstverständnis des Clusters?
Klaus Kiessler: Insgesamt ist der Cluster deutlich professioneller und dadurch messbarer geworden, auch wenn aus meiner Sicht dadurch gleichzeitig etwas an Spontanität und Flexibilität im Vergleich zu damals eingebüßt wurde. Unabhängig davon sehe ich den Cluster und die Idee der Kooperation auf einem sehr guten Weg und wünsche uns allen zusammen, dass das Bewältigen der Klimakrise zum Hauptaugenmerk unserer Arbeit wird und dadurch vermehrt zu klimaneutralen Gebäuden führt.
Martin Huber: Danke für das Gespräch und die wirklich gute Zusammenarbeit in den letzten 18 Jahren, Klaus!
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