Von Null auf 60 Mitarbeitende in einem Jahr – Interview mit Oliver Schwarz

Das Unternehmen Gebrüder Haider & Co Hoch- und Tiefbau GmbH hat vor gut einem Jahr eine Niederlassung in Wr. Neustadt gegründet und ist neu im Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich.

Clustermanagerin Michaela Smertnig spricht mit Oliver Schwarz, Abteilung Hochbau/GU für die Region W-NÖ-Bgld und Niederlassungsleiter in Wr. Neustadt, über die Challenge einen Unternehmensstandort von Null auf zu entwickeln, ihre Zukunftsstrategien als Bauunternehmen und was er sich als Clusterpartner vom Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich erwartet.

 

Michaela Smertnig: Lieber Oliver, danke dass du als Interviewpartner zur Verfügung stehst und die Leserinnen und Leser ein wenig an euren Unternehmensthemen teilhaben lässt! Bitte stelle dich und dein Unternehmen kurz selbst vor.

 
Oliver Schwarz: Danke für die Einladung zum Interview! Das Unternehmen Gebrüder Haider & Co gibt es bereits seit knapp 30 Jahren, die Zentrale befindet sich in Kapfenberg. Mehrheitseigentümer ist die Familie Haider, zu deren Unternehmensgruppe wir auch gehören, am Markt agieren wir aber im Wesentlichen autark da wir uns durch Region und Produktpalette sehr unterscheiden. Neben Kapfenberg haben wir zwei Standorte in Graz, seit Juli 2021 sind wir in Wr. Neustadt, und seit Juni 2022 gibt es auch einen Bürostandort in Eisenstadt. Mittlerweile erwirtschaften wir mit ca. 240 MitarbeiterInnen einen Jahresumsatz von ca. 90 Mio Euro.

Als Ausgangspunkt für unsere Geschäftstätigkeit in der Region Ost haben wir Wr. Neustadt gewählt, da es für uns sehr zentral zwischen Stmk, Wien und Burgenland gelegen ist. Vom Standort Wr. Neustadt aus sind wir ausschließlich im Hochbau tätig, dies umfasst kleine Umbauten, EFH, MFH bis Industriebauten, vom Baumeister-Gewerk bis zur Generalunternehmerleistung – so setzen wir bereits ca. 30 Mio Euro pro Jahr um und beschäftigen mittlerweile 60 MitarbeiterInnen. Wichtig ist unserem Unternehmen v.a. ein hoher Eigenleistungsanteil: Mehr als 2/3 der Belegschaft ist gewerbliches Baustellenpersonal. Gebrüder Haider & Co ist als familiäres, traditionelles Bauunternehmen stets erfolgreich organisch gewachsen und diesen Kurs möchten wir hier fortsetzen.

Ich selbst bin seit April 2021 bei Gebrüder Haider & Co tätig. An dieser Stelle gefällt mir, mich den Herausforderungen des Mittelstandes zu stellen und im Speziellen eine neue Niederlassung aufzubauen, zu organisieren und zu entwickeln. Zuvor war ich vorwiegend in großen Baukonzernen tätig und konnte dort diverse Führungsaufgaben im In- und Ausland wahrnehmen.

  

Wie man eine Niederlassung aufbaut ...

 

Michaela Smertnig: Ihr seid ein junges Unternehmen, zumindest an diesem Standort gibt es euch gerade mal ein Jahr. Erzähl wie es euch bisher ergangen ist: Was waren die Herausforderungen? Gibt’s Anekdoten?

 
Oliver Schwarz: Die Aufgabe hat mich mit großem Respekt erfüllt – eine Niederlassung von Null aufzubauen, kommt selten vor. Der Zeitpunkt war gut: hohe Baukonjunktur, die Türen standen einer neuen Baufirma in der Region offen. Neue Kundenkontakte waren rasch geknüpft.

Zu mitunter skurrilen Situationen kam es durch die hohe Verwechslungsgefahr: In der Haider-Gruppe gibt es drei ähnlich klingende Firmennamen, mit einem der Unternehmen hatten viele Kunden und Lieferanten in der Regel schon zu tun. Zudem sind wir in der Gruppe eher durch Infrastruktur-Projekte bekannt, weniger im Hochbau, insbesondere in der Region Wien, wo wir zuletzt als Arbeitsgemeinschaft das Projekt EOS für die Hauptkläranlage Simmering umsetzen durften. Insofern galt es dann zu Beginn in Gesprächen mit potentiellen Kunden, Partnern oder Mitarbeitenden zuerst klarzustellen, welche Fa. Haider sich gerade vorstellt.

Die Herausforderung im vergangenen Jahr war vor allem Personal und Partner wie Lieferanten und Subunternehmer zu finden. Die dortigen Engpässe sind eben die Kehrseite der Medaille bei hoher Baukonjunktur, Beschäftigung und gefüllten Auftragsbüchern im Bauhaupt- und -nebengewerbe. Anfangs haben wir Einiges an Ressourcen ins Marketing gesteckt um den Bekanntheitsgrad zu erhöhen: z.B. haben wir mit mehreren Teams beim Wien Energie Business Run teilgenommen, waren auf diversen Fachveranstaltungen, nehmen unsere ÖBV-Mitgliedschaft etwas verstärkter wahr und versuchen bei diversen Veranstaltungen von Wirtschaftskammer, Bildungseinrichtungen u.dgl. präsent zu sein. Weiters haben wir initiiert, dass unser Unternehmen auch auf Instagram und Facebook präsent ist.

 

"Freie Zeiteinteilung, eigenständiges Arbeiten und Verantwortung leben wir vor."

 

Michaela Smertnig: Das führt mich zum nächsten Thema: Fachkräfte zu finden ist in der Branche gerade eine besondere Herausforderung. Wie gehst du damit um?

 
Oliver Schwarz: Wir sind gerade gut aufgestellt, suchen aber dennoch laufend im Vorlauf für herausforderndere Zeiten bzw. künftige Projekte. Die klassischen Wege im Recruiting haben kaum Erfolg gebracht, Inserate auf unserer Homepage oder den klassischen Plattformen haben keine nennenswerten Bewerbungen generiert. Wir fokussierten uns daher mehr auf Social Media: mit eigenen Imagebildern und -videos, mit Kurzinterviews mit MitarbeiterInnen und einem eigenen sehr verschlankten Bewerbungsprozess. Dies funktioniert sehr gut, bringt wenig Aufwand und geringe Eintrittsschwellen für BewerberInnen. Ein schöner Nebeneffekt war, dass das Fotoshooting und der Videodreh sowie die Interviews auch für das Team ein Highlight war.

Die ersten MitarbeiterInnen sind alle regional gut und lang verankert. Wir haben den Anspruch, ein Arbeitgeber mit einem guten Arbeitsklima zu sein. Dies leben wir und das spricht sich herum – so sind wir rasch zu weiterem Personal gekommen. Wir sind bemüht unserer Belegschaft maximale Flexibilität zu geben und individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen. Es gibt keine fix vorgegebenen Arbeitszeiten, eine möglichst freie Zeiteinteilung ist möglich, die Baustellen-Partien organisieren sich selbst. Schlussendlich muss das Ergebnis passen. Eigenständiges Arbeiten und Verantwortung für eine Sache zu übernehmen ist mir sehr wichtig! Dies wird im Unternehmen auch wirklich so gelebt und nicht nur gesagt. Niemand wird schief angeschaut, wenn er früher das Büro verlässt.
Mir persönlich macht dieses Arbeiten so auch viel Spaß, weil es einer Selbständigkeit ähnelt, eingebettet in ein etabliertes Unternehmen mit Rückhalt und Substanz.

Und ein positiver Aspekt hat sich nun völlig unerwartet ergeben: Unser Mittagstisch im Büro wurde zentraler Anlaufpunkt für die MitarbeiterInnen, wo informeller Austausch stattfindet. Besonders die jungen Kolleginnen und Kollegen schätzen dies sehr.

 

"In Krisenzeiten ist mehr Partnerschaft zwischen Lieferanten, Ausführenden und Kunden erforderlich."

 

Michaela Smertnig: Thema Krisen: Pandemie, Energie, Krieg – welche Auswirkungen ergeben sich für Euch und wie geht ihr damit um?

 
Oliver Schwarz: Durch unser GU-Geschäft haben wir auch Pauschalfestpreisverträge. Hier sind wir derzeit mit Mehrkosten konfrontiert, die nur zu geringem Teil an die Auftraggeber weitergegeben werden können. Dies hat uns sehr getroffen. Wir sind Pragmatiker, mögen es, mit Handschlagqualität unkompliziert zu arbeiten – daher versuchen wir uns in einer Vertragsbeziehung gegenseitig zu helfen. Vonseiten der Bauherren kommt oft Einiges an Unterstützung.

Mit Materialknappheit und langen Lieferzeiten haben wir gelernt zu leben. Hohe Energiepreise schlagen sich in unseren Preisen nieder. In der Thematik hoher Baupreise befinden wir uns als Baufirma in der Mitte: zwischen den Lieferanten und hohen Materialkosten auf der einen, und dem Kunden auf der anderen Seite, der meist für sein Bauprojekt nicht mehr ausgeben kann, weil Förderungen im Spiel sind, die in der Höhe nicht nachgezogen werden können oder der Investitionsrahmen es einfach nicht zulässt. Hier ist mehr Partnerschaft gefordert als früher. Projekte müssen mit dem Kunden wiederholt durchgedacht werden, um Optimierungen und Ausführungsvarianten zu finden. Der Vorlauf in der Akquise wird dadurch länger.
Dazu kommt, dass in den letzten Monaten Projekte vermehrt in die Zukunft geschoben werden; oder überhaupt vom Investor / Bauträger verkauft anstatt realisiert werden.

 

Womit sich Bauunternehmen auseinandersetzen sollten

 

Michaela Smertnig: Welche Herausforderungen seht ihr als Bauunternehmen in den nächsten 10 Jahren auf euch und euer Gewerk zukommen? Und wie werdet/wollt ihr damit umgehen?

 
Oliver Schwarz:

  • Der Fachkräftemangel wird sich noch verschärfen. Wir versuchen mit eigener Lehrlingsausbildung entgegenzuwirken. Derzeit haben wir bereits 4 Lehrlinge am Standort und auch die Befähigung HochbauerInnen, BetonbauerInnen, bautechnische AssistentInnen und kaufmännische MitarbeiterInnen auszubilden.
  • Die Arbeitsplatzattraktivität ist ein generelles Thema. Hier muss die Branche gesamthaft reagieren. Insbesondere beim Baustellenpersonal, das bei jedem Wetter arbeitet.
  • Die Produktivität in der Baubranche ist sehr schlecht. Wir sind kaum produktiver als vor 50 Jahren. Unsere Herangehensweise ist, möglichst viele Vorgänge zu vereinfachen, Komplexität rauszunehmen, Vorfertigung sprich Halbfertigteile einzusetzen. Wir versuchen laufend unsere Prozesse zu optimieren, v.a. auf unseren Baustellen im kleinen Maßstab umzusetzen.
  • Hinsichtlich BIM stehen wir noch ziemlich am Anfang. In der Kalkulation haben wir gerade iTWO eingeführt. Modellbasiertes Arbeiten wird jedoch auch für die mittelständischen Bauunternehmen in den nächsten Jahren Thema werden.
  • Die Ökologisierung ist unumgänglich. Was wir in der Hand haben, versuchen wir umzusetzen. Z.B. ressourcenschonendes Arbeiten, auf den Baustellen sauber zu arbeiten und Müll zu trennen. Die PKW-Flotte auf E-Mobilität umzustellen, werden wir noch in Angriff nehmen. Nur Vieles, das notwendig wäre, haben wir als Baufirma nicht in der Hand, da wir das Projekt nicht definieren und z.T. wesentliche Projektparameter nicht oder nur kaum beeinflussen können.
  • Als größten Hebel sehe ich persönlich politische Vorgaben wie erforderliche (Nach-) Verdichtung, Verminderung der versiegelten Fläche, Änderungen in der Raumplanung – speziell in einer überregionalen Raumordnung sowie in der Nutzung von Altbestand bzw. Leerstand.

 

"Am Cluster schätze ich den Austausch mit anderen Unternehmen."

 

Michaela Smertnig: Ihr seid seit heuer Clusterpartner im Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich. Was erwartet Ihr Euch davon? Was habt ihr schon profitiert?

 
Oliver Schwarz: Mir geht es vorwiegend um Wissens- und Erfahrungsaustausch im Clusternetzwerk: Mich mit Anderen in der Branche zu vernetzen, zu erfahren, welche Themen es bei ihnen gibt und welche Lösungsansätze – möglichst auch branchenübergreifend.

Ich durfte an eurem Pilotprogramm New Work & Unternehmenskultur teilnehmen. Das Erlernte und Erfahrene im Austausch mit den andern 6 teilnehmenden Unternehmens-VertreterInnen hab ich intern mit unseren eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bereits diskutiert und angewandt: z.B. zu wissen, dass verschiedene Generationen (Babyboomer, Generation X, Y und Z) unterschiedlich ticken und dies Auswirkung auf die Führung hat.
Ein/e Mitarbeiter/in ist nicht mehr „Masse“ sondern ein Individuum. Jede/Jeder als Person ist mit Bedürfnissen wahrzunehmen. Als Führungsperson ist es zunehmend wichtig, sich mit dem Menschen und seiner Persönlichkeit zu beschäftigen.

 

Auf Augenhöhe kooperieren, lösungsorientiert agieren und Prozesse innovieren

 

Michaela Smertnig: "Innovation durch Kooperation" ist unsere Cluster-Guideline. Was verbindest du oder Ihr als Unternehmen damit?

 
Oliver Schwarz: Wir sind bekannt für Kooperation auf Augenhöhe, für Lösungsorientiertheit, uns ist es wichtig, dass wir in Geschäftsbeziehungen als Partner wahrgenommen werden. Das leben wir. Daher ist es uns wichtig, mit eigenen Baustellenteams, die sich schon gut kennen, zu arbeiten. Zudem haben wir möglichst wenige Partnerfirmen – insbesondere solche, mit deren Werten wir uns identifizieren können und deren Prozesse uns schon bekannt sind – da funktioniert die Zusammenarbeit von Beginn an reibungsloser und Innovation wird möglich. Unsere Unternehmenswerte lassen sich beschreiben mit partnerschaftlich, familiär, zuverlässig. Unsere Kolleginnen und Kollegen in Kapfenberg sind vor allem im Betonbau (Betontechnologie und Schalungstechnik) sehr innovativ, am Standort Wr. Neustadt betreiben wir noch keine F&E-Aktivitäten und erfinden nicht – wir können aber sehr wohl Prozesse innovieren. Und das tun wir.

 
Michaela Smertnig: Wie geht's bei euch weiter?

 
Oliver Schwarz: Am Standort Wr. Neustadt haben wir bereits eine gute Größe erreicht und können verlässlicher Partner in der Region sein. Unsere Prämisse ist es, uns gemeinsam mit unseren MitarbeiterInnen weiterzuentwickeln. Wir arbeiten gern mit Menschen, mit Lehrlingen und PraktikantInnen, wir fordern & fördern. Wichtig ist uns, am Bestehenden aufzusetzen, das zu verbessern und zu konsolidieren. Wir wollen uns in der Region festigen, etablieren und weiterhin gesund wachsen.

 
Michaela Smertnig: Oliver, vielen Dank für das ausführliche und offene Gespräch!

 

 

 

Zum Unternehmen

Gebrüder Haider & Co Hoch- und Tiefbau GmbH
Zulingergasse 4/2
2700 Wr. Neustadt

60 MitarbeiterInnen am Standort, davon 4 Lehrlinge

 

Weitere Informationen

Michaela Smertnig
+43 664 601 19664